Teilweise Mörder

H.C. Strache bezeichnet Wehrmachtsdeserteure als Kameradenmörder. Eigentlich hält er sie für „teilweise“ Kameradenmörder. Man kann ja kaum „teilweise“ Mörder sein.

Er könnte meinen, daß die Menge der Deserteure zu einem Teil aus Kameradenmörder bestünde. Es könnte auch bedeuten, daß jedes Desertieren zur Folge hätte, daß Kameraden getötet werden, also eine „teilweise Schuld“ am Kameradenmord vorläge.
Daneben gibt es das Delikt des Kameradenmordes gar nicht. Ein Mord ist ein Mord ist ein Mord.
Außer im Krieg, da ist alles rechtlich irgendwie anders.
Mit „teilweise“ kann Strache auch meinen, daß er in manchen Fällen der Ansicht ist, hier wären Kameraden gemeuchelt worden, teilweise nicht.

Wo welcher Teil überwiegt, läßt er offen.

Rhetorisch bedeutet das, er möchte sich nicht festlegen, will aber den Deserteuren den Persilschein nicht einfach geben. Während die politische Linke vehement die generelle Aufhebung der Verurteilungen aller Deserteure fordert, grenzt sich die Rechte ab, indem sie bremst. So etwa der ÖVP-Justizsprecher Heribert Donnerbauer, der die Meinung vertritt, man müsse sich jeden Fall gesondert anschauen. Seine Begründung: Desertion gälte auch in der Zweiten Republik als Delikt. Weshalb die Desertion aus einer Armee, welche Österreich besetzt hielt (das sagt zumindest die Opfertheorie), ein Delikt darstellt, läßt er offen.
Andererseits kommt die Linke etwas spät mit ihrer Forderung nach Rehabilitierung. Die SPÖ hätte während der Alleinregierung in den Siebzigerjahren Gelegenheit dazu gehabt. Sie tat es nicht, weil sie die Stimmen der Kriegsgeneration brauchte, um ihre Absolute zu halten.
Mittlerweile hat sich diese Wählergruppe größtenteils auf natürlichem Wege verabschiedet; die restlichen, denen ihre Kriegsteilnahme noch von Bedeutung ist, wählen ohnehin rechts der Mitte. Außerdem sind es zuwenige, um wahlentscheidend zu sein.

Nun kann die SPÖ also relativ gefahrlos das eigene Profil schärfen. Wehrmachtsdeserteure spät aber doch als Helden zu feieren, entspricht dem antifaschistischen Konsens des linken Flügels, welcher seit Innenmininster Löschnak ohnehin allerlei Grausamkeiten in Sachen Migration und Integration hinnehmen mußte.

Außerdem kann man annehmen, wie H.C. Strache reagieren wird. Der ist nämlich genauso dankbar für dieses Thema. Er kann sich erneut als rechts der Mitte positionieren und die ÖVP in eine etwas ungute Situation bringen. Sie hat eine heimattümelnde Wahlklientel, welche schlecht zwischen einer „österreichischen Heimat“ und Nazideutschland unterscheiden kann. Sie ist zu einem Schlingerkurs in diesem Punkt verdammt. Und löst ihn, indem sie teils nachgibt – es gab ja auch eine bürgerlich-katholische Widerstandsbewegung, welche man nach Bedarf herausholen kann – teils den rechten Parteiflügel zufriedenstellt; siehe Donnerbauer.

Die FPÖ arbeitet wie immer mit Subtexten. „Teilweise“ bedeutet in diesem Zusammenhang einfach: eigentlich verurteilen wir die Deserteure, denn sie desertierten aus einer Armee, welche doch eigentlich irgendwo doch für das Richtige gekämpft hat; aber wir wollen uns nun doch nicht zu weit hinauslehnen, wegen Holocaust und "eh scho wissen ...".
Man platziert den Rechtsextremismus auf diese Art in der Zivilgesellschaft, als man ihm eine Sprache gibt, und zwar jene doppeldeutige, in welcher die Österreicher immer schon Meister waren.

Deswegen lohnen sich in dieser Frage Sachargumentation gar nicht, denn keine Seite ist an der Sache interessiert.
Es lohnt kein Hinweis darauf, daß verurteilte Deserteure vor Erschießungskommandos kamen, welche durch die Bank aus „gehorsamen Kameraden“ bestanden, denen im Nachhinein niemand Kameradenmord vorwirft.
Es lohnt kein Hinweis darauf, daß Urteile einer Deutschen Armee für Österreich nicht verbindlich sein müssen, weil uns niemand zur Rechtsnachfolge verpflichten kann.
Es lohnt kein Hinweis darauf, daß die Allierten, auf die zu schießen Wehrmachtsdeserteure sich weigerten, uns Freiheit und Demokratie brachten.

Es lohnt sich nicht mal mehr, die Mechanismen dieser Debatte herauszuarbeiten: sie sind seit Jahren dieselben.

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