Von den Socken

An Tagen wie diesen trage ich gerne meine roten Hausschuhe. Eigentlich sind es keine Schuhe – so nenne ich sie aus Tradition, oder weil sie eben die Funktion von ehemaligen Hausschuhen übernommen haben – sondern Socken mit Ledersohlen.

Eine Freundin hat sie mir aus Moskau mitgebracht. Einer alten Babuschka auf der Straße abgekauft. Selbst gestrickt und besohlt, soll sie angemerkt haben. Es sind also knallrote Socken mit aufregendem Muster, gelben Ringeln, grauen Blumen und dunkelblauen Einsprengselungen. Dazu passend eine dunkelblau Jogginghose. Das Oberteil ist optional, muss aber in der Silhoutte die Signatur der Hose unterstützen – derzeit trage ich untertags einen hellblauen Pulli. Dies, weil ich weiß, dass abends die Jogginghose hinzukommt.

Zu anderen Tagen trage ich Hemden. Aber nur an solchen, an denen ich abends bestimmt nicht in die Jogginghose schlüpfen werde. Passt einfach nicht. Sollten wider Erwarten meine roten Hausschuhe – oder besser -socken – passabel werden, so muss ich dazu die Straßenhose weitertragen. Des Hemdes wegen.

Allerdings entstehen erhebliche stilistische Probleme mit den Haussocken. Nicht farblich. Sowohl die dunkelblauen Jeans, wie auch die etwas helleren mit leichtem stonewashed-Effekt, harmonieren mit dem Rot aus Moskau. Aber der Abschluss!
Der ABSCHLUSS!
Wie kann man den Übergang vom Socken zur Hose gestalten, wenn es eben keine Socken sind, sondern Gestricktes mit Hausschuhfunktion.
Ein Socken mag anstandslos im Hosenrohr verschwinden. Ein Stiefel soll sich eng darüberstülpen. Aber wie bringt man Haussocken mit einem wie auch immer gearteten Hosenrohr zusammen?!

Kein Problem bei einer Jogginghose: da ragen die Haussocken selbstredend über den Bundsteg, der ohnehin eine der noch ungelösten Problemzonen der ehemaligen Laufhose darstellt. Deswegen ist der heutige Abend auch ein völlig unbelasteter. Noch vorgestern hingegen trug ich Hemd, ergo no way für die Haussocken.
Aber was dann? Ich hasse Hüttenpatschen. Hauspantoffeln sind ohnehin indiskutabel. Und in Socken gehe ich grundsätzlich nicht. Ein Mann sollte sich nicht in Socken bewegen. Eher ziehe ich meine Hose aus als meine Schuhe, insbesonder in fremdem Heim.
Wie verabscheue ich Haushalte, wo die Schuhe ausgezogen werden müssen. Besonders wenn der Boden alles andere als sauber ist! Da ersetzt der Hausherr mit seinen Gästen offensichtlich den Staubwischer. Umkehr tue ich an der Schwelle solcher Etablissements, und zwar weder spirituell, noch im Sinne der Lebensführung, sondern im wortwörtlich raumgreifenden. Sollen sich ihre Böden gefälligst selber wischen und nicht aus haushälterischer Faulheit ausgelassene Parties vortäuschen.

Was also, wenn Hemd nach wohl geschnittener Hose verlangt, Jogginghose damit ausschließt und das Schuhwerk nicht rein genug für meine Wohnung ist. Nach langem, zögerlichem und fruchtlosem Raisonnieren auf dem Fußabstreifer vor der Haustüre schickte ich mich in das Unvermeidliche: ich ging barfuß.
Sozusagen der letzte Joker, wenn nichts mehr geht. Barfuß geht fast immer – außer bei Jogginghose. Da ist praktisch nichts passends; klar: Problemzone Bundsteg.

Allerdings war es verdammt kalt an diesem Abend. Nach stundenlangem Frieren blieb mir nur noch der Notausgang in die Badewanne. Anschließend ins Bett, obschon Schlaf noch weit war.

Hätte ich mich an diesem Abend für den Pullover entschieden, infolgedessen die Jogginghose samt Haussocken anziehen und somit länger aufbleiben können – hätte mein Leben dann eine andere Wendung genommen?

Das werde ich nun nie mehr erfahren.

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